2. FASTENSONNTAG

1. März 2015

Lesung: Gen 22,1-2.9.10-13.15-18

Gedanken zu der Lesung

Die Bibel will uns immer etwas Bestimmtes sagen, mir, Ihnen. Sie hat eine Botschaft, die immer unser Leben betrifft. Aber sie formuliert diese Botschaft nicht ganz trocken und theoretisch, nicht einfach wie eine nüchterne Mitteilung, sondern kleidet ihre Botschaft in Erzählungen ein, die nicht nur den Verstand, sondern auch das Herz ansprechen. Es kommt immer darauf an, nicht bei der    äußeren Erzählung stehen zu bleiben, sondern ihren tieferen Sinn zu erfassen. So ist es auch mit der Erzählung über Abraham. Was will sie uns wirklich sagen?

Abraham ist eine faszinierende Person. Seine Geschichte beginnt damit, dass Gott zu ihm sagt: „Ziehe aus deinem Land weg, verlass deine Heimat und deine Familie. Geh in ein anderes Land, das ich dir zeigen werde. Ich will dich zu einem großen Volk machen und dich segnen [...] Da zog Abraham aus, wie Gott es ihm befohlen hatte ». Gott selbst übernimmt die Initiative. Er spricht einen Menschen an, verlangt, dass dieser Mensch aussteige und ausbreche aus festgefügten Strukturen: Steig aus deiner Sicherheit aus und beginn einen Weg, der dich zu neuen Horizonten führen wird! — Und darauf folgt gleich ein Versprechen: «Ich will dich segnen». Er, das kinderlose Sippenoberhaupt, wird zahlreiche Nachkommen haben, ein großes Volk.

Gott wird dem Abraham also ein Land zeigen, das dieser noch gar nicht kennt, in das hinein er aber aufbrechen soll. Ein Aufbruch ins Unbekannte. Gott ruft auf zum Wagnis. Was er fordert, ist ein Glaube, der bereit ist zum Risiko. So ist Gott! Zieh aus! Verändere deine Situation! Verlass deine alten Sicherheiten und habe den Mut, etwas Neues zu beginnen!

Wenn der Mensch aber den Schritt in die von diesem Gott vorgeschlagene neue Zukunft wagt, dann bleibt er nicht allein, Gott wird immer dabei sein: «Ich werde mit dir sein. Ich werde dich begleiten!». Gott fordert Vertrauen: „Vertraue auf mich“, sagt er, „und verlasse deine Sicherheiten. Einmal unterwegs aber wisse, dass ich bei dir bin.“ Und Abraham hat dieses Vertrauen zu Gott! So ist es denn auch kein Zufall, dass er als «Vater des Glaubens» bezeichnet wird. Nur auf das Wort, auf das Versprechen von Gott hin, geht er.

Eine erste Bestätigung, dass Gott sein Wort hält, erhält Abraham als er dann seinen Sohn bekommt: Das ist der Anfang! Aus dir wird ein großes Volk entstehen. Dann kommt aber etwas, was alles in Frage stellt: das Versprechen von Gott und das Vertrauen von Abraham. Er soll jetzt für Gott seinen Sohn opfern, und damit auch seine ganze Zukunft, seine Hoffnung zerstören. Das ist total widersinnig. Hier wird das Vertrauen von Abraham radikal auf die Probe gestellt: Kann Gott so grausam sein? Es stellt sich heraus, dass Gott überhaupt nicht will, dass Abraham seinen Sohn opfert - Gott will keine Menschenopfer! Er will das Vertrauen von Abraham nur testen: Wie weit bist du bereit zu gehen? Wie wichtig bin ich, Gott, dir wirklich? Nicht-verstehend, total durcheinander, verliert Abraham trotzdem sein Vertrauen zu Gott nicht. Er wird in der Bibel das Ur-Modell, das Ur-Ideal eines an Gott glaubenden Menschen.

Somit sind wir angesprochen. Glauben wir an Gott, wie Abraham? Bin ich bereit für Gott Risiken einzugehen und wenn nötig, Dinge, Gewohnheiten aufzugeben - auch wenn es weh tut? Ist mein Vertrauen zu Gott stark genug in Krisensituationen? Auch dann, wenn wir Gott nicht mehr verstehen: „Warum lässt Gott dies oder das zu? Warum trifft gerade mich diese Krankheit? Warum musste mein Mann, meine Frau, mein Kind sterben?“ Abgesehen von der Frage, ob wir Gott für all das Leid verantwortlich machen können, bleibt die Frage: Ist mein Vertrauen zu Gott groß genug? Nehme ich ihm das ab, wenn er sagt: «Ich werde mit dir sein. Ich werde dich begleiten»?  Die Erzählung von Abraham geht ins Herz. Sie fordert uns heraus. Gott so zu vertrauen, wie Abraham.

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